Am 23.04.2009 besuchte Lilli Tauber die Unverbindliche Übung Politische Bildung der vierten Klassen. Sie erzählte uns etwas über ihre Erlebnisse während der NS-Herrschaft und der Zeit des 2. Weltkriegs. Hier ist, was wir erfahren haben.
Lilli Tauber wurde als jüngstes Kind einer jüdischen Familie in Wiener Neustadt 1928 geboren. Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Österreich wurden ihrer Familie das Haus und das Geschäft weggenommen. Die Gestapo verhaftete zuerst ihren Vater, dann sie und ihre Mutter. Ihr älterer Bruder war mit einem illegalen Transport nach Palästina geflohen. Lilli und ihre Mutter wurden mit anderen Frauen und Kindern nach Wien transportiert und dort ausgesetzt. Lilli und ihre Eltern kamen bei Verwandten unter. Nach dem Novemberprogrom 1938 waren Kindertransporte nach England möglich. Lilli TauberDie Kinder mussten zwischen null und 16 Jahren alt sein. Zu diesem Zeitpunkt war Lilli elf Jahre alt. Ihre Familie entschloss sich, sie nach England zu schicken. Jeden Dienstagabend um 20:30 Uhr fuhren die Züge vom Wiener Westbahnhof ab. Lilli nahm an so einer Fahrt teil. Der Abschied fiel ihr sehr schwer, sie war noch nie zuvor von ihren Eltern getrennt gewesen und hatte auch eine sehr enge Beziehung zu ihnen. Die Trennung von ihren Eltern war für sie eine starke psychische Belastung. Während der Reise weinte sie sehr viel.
Lilli und die anderen Kinder wurden mit dem Zug nach Holland gebracht und von dort aus mit dem Schiff nach England, dort mit dem Zug weiter nach London. Dort angekommen, wurden die Kinder in eine große Halle gebracht.
Schon in Wien wurde Lilli an eine Organisation in England, die deutschsprachige Kinder aufnahm, vermittelt. Kinder, die nicht dieses Glück hatten, wurden in dieser Halle aufgestellt, bekamen eine Nummer und wurden wie Waren an englische Familien vermittelt. Lilli und 24 andere Kinder kamen in ein Heim am Land. Außer drei anderen Wienern waren dort nur deutsche Kinder. In diesem Heim wurde gut für die Kinder gesorgt, es gab genug zu essen, viel Platz und sonntags unternahm der Sponsor des Heims, den alle liebevoll „Uncle Harry“ nannten, mit ein paar Kindern Ausflüge. Noch nie zuvor war Lilli mit der englischen Sprache in Berührung gekommen, und da es Sommer war, musste sie auch noch nicht in die Schule gehen. Im Herbst, als sie in die Schule kam, konnte sie kein Wort Englisch. Nach und nach lernte sie es, trotzdem hatte sie wenig Kontakt zu den englischen Kindern. In ihrer Freizeit schrieben Lilli und die anderen Kinder hauptsächlich Briefe an ihre Eltern. Das war aber nicht so einfach. Da England Kriegsgegner des deutschen Reiches war, musste Lilli ihre Briefe zuerst über einen Cousin in Luxemburg, dann über eine Tante in Bolivien zu ihren Eltern schicken. Außerdem konnten Lilli und ihre Eltern nicht alles schreiben, denn die Briefe wurden zensuriert. Die meiste Zeit aber verbrachten sie damit, auf die Briefe zu warten und sich Geschichten über ihr Zuhause zu erzählen.
Im Februar 1941 wurden Lillis Eltern nach Polen in das Ghetto Opole gebracht. Nach Kriegseintritt Englands war es Lilli nur mehr möglich Rot-Kreuz-Briefe zu schicken. Sie hatten ein Limit von 25 Wörtern. Zu dieser Zeit kam Lilli mit sieben anderen Kindern unter die Obhut von Lady Robert.
Noch 1941 brach der Briefkontakt zu Lillis Eltern ab. Das konnte sie sich erst 1944 erklären, als in England bekannt wurde, dass die Nationalsozialisten Gaskammern einsetzten. Niemals hätte Lilli bei ihrer Abreise mit elf Jahren gedacht, dass sie ihre Eltern zum letzen Mal sehen würde. Diese wurden 1942 im Vernichtungslager Sobibor oder Belzec ermordet. Durch die Organisation „Young Austria“ baute Lilli eine Beziehung zu Österreich auf (soweit das möglich war). Nach Kriegsende bot ihr eine Tante, die in Wien lebte, an bei ihr zu wohnen. So kam Lilli nach Österreich zurück.
Lilli TauberLilli verbrachte also einen sehr wichtigen Teil ihres Lebens elternlos in einem fremden Land, nämlich ihre Jugend. Heute nennt Lilli Tauber Österreich nicht ihre Heimat. Sie findet zwar, dass Österreich ein sehr schönes Land ist, in dem man gut leben kann – heute. Die vergangenen Ereignisse haben sie sehr geprägt.
Heute lebt Lilli Tauber mit ihrem Mann Max in Wien. Sie sind seit 47 Jahren verheiratet und haben zwei Söhne.
Wir Viertklässler haben dieses Jahr sehr viel über den Holocaust erfahren. Nachdem wir uns im Filmcasino ebenfalls im Rahmen von Politische Bildung einen Film über Lillis Taubers Leben ansahen, konnten wir, dank Herrn Professor Krist, nochmals persönlich mit ihr über das Vergangene sprechen.
Lilli Tauber hat uns dabei geholfen eine weitere Facette zu sehen.

Iris Hoffmann 4B