In Anlehnung an Boccaccios "Decameron" erstellten die Schüler*innen des WPF- Deutsch kreativ einen "Corona-Novellen-Reigen". Die Handlung spielt im Wien des 21. Jahrhunderts - nicht die Pest verbreitet Angst und Schrecken, sondern das Corona Virus. Das ist der Rahmen für eine neue Novellensammlung. Isoliert mitten in der Stadt, nicht auf einem Landhaus in der Nähe von Florenz im 14. Jahrhundert. Verbunden durch kreative Texte, die die Schüler*innen schreiben, zuhause, alleine vor dem Computer! Trotz allem ist diese kreative Schreiben das, was uns verbindet und Trost spendet! Hier einige Texte zum Nachlesen.

 

Deutsch Kreativ

Novellenreigen

Eine andere Welt

Ich schaue in den Spiegel. Ich sehe echt fertig aus, vielleicht brauche ich mehr Schlaf. Ich blinzle. Mein Spiegelbild ebenfalls. Langsam hebe ich meine rechte Hand, mein verkehrtes Ich hebt seine linke. Was geht wohl in seinem Kopf vor? Vielleicht liegt hinter den Spiegeln eine verborgene Welt. Eine spiegelverkehrte Welt. In dieser Welt ist alles gleich. Die Erlebnisse der Personen, ihre Gedanken und ihre Gefühle. Das vor mir bin praktisch ich. Bloß spiegelverkehrt. Also was unterscheidet mein Ich aus der anderen Welt von mir? Bin das ich? Ich lege meine Hand gegen meine spiegelverkehrte Hand. Ich starre in meine Augen. Vielleicht habe ich eine andere Augenfarbe, diese werde ich doch nie außerhalb des Spiegels sehen. Mein anderes Ich starrt zurück. In seiner Welt starre ich zurück. Vielleicht denkt es sich gerade dasselbe wie ich: „Bin das ich? Wer von den beiden bin ich? Bin ich beide?“ Ich blinzle. Mein Spiegelbild tut es mir gleich. Hat es gerade noch einmal die Augen geschlossen? Hat es einen eigenen Willen? Oder bilde ich mir das bloß ein? Der Druck zwischen unseren Handflächen wird stärker. Was trennt uns? Die Glasfläche? Ist dahinter mehr? Die andere Welt? Ich will die Hand meines Spiegel-Ichs berühren, nicht nur das Glas. Ich presse meine Hand gegen den Spiegel. Gegen das Tor zu der anderen Welt. Mein Ich tut es mir gleich. Der Spiegel springt, ein kleiner Riss entsteht. Ich spüre die Wärme der anderen Hand. Ich sage etwas, ich weiß nicht, was, aber das tut nichts zur Sache. Ich höre nur meine eigene Stimme, obwohl auch mein anderes Ich zu sprechen scheint. Ist es stumm? Ist das Glas schalldicht? Ich schreie, um es herauszufinden. Die Scheibe unter meinen Fingern erzittert. Der Sprung wird ein wenig größer. Ich höre bloß meinen eigenen Schrei und den Schall dessen. Hört mich mein anderes Ich? Ich schreie lauter. Plötzlich höre ich es. Im selben Moment wie mein Spiegel-Ich. Wir hören einander. Wir erschrecken, sehen einander ungläubig an. Es gibt mich in einer anderen Welt, die niemand sonst kennt. Durch die Scheibe berühren wir einander. Spiegelverkehrt lächeln wir einander wissend an. Nur wir beide wissen es. Wissen voneinander. Der Druck zwischen unseren Händen wird stärker. Der Sprung wird größer. Ich möchte nicht mehr warten. Ich schlage gegen den Spiegel. Ein Spinnennetz zieht sich über ihn; meine Hand blutet, aber es tut mir nicht weh. Der Spiegel ist zerbrochen. Ich sehe mein Ich verzerrt. Ich komme nicht in die andere Welt. Zurück bleiben Scherben und Gewissheit.

Fiona

 

Ein ganz gewöhnlicher Tag im März und Emma steht in ihrem Waffelgeschäft und bereitet den Teig zu. In einer halben Stunde sperrt sie auf. Aus irgendeinem Grund ist sie schlecht gelaunt, alles geht schief und sie hat jetzt schon zum dritten Mal den Teig neu gemacht, weil sie immer zu viel Mehl erwischt hat. Eigentlich ist Emma eine positive Person, aber heute kommen ihr nur negative Gedanken in den Sinn. Sie versucht dagegen anzukämpfen und spielt ihre Lieblingsplaylist ganz laut ab. Aber sogar die kann sie heute nicht hören. Sie dreht die Musik leise, denn schon kommt die erste Kundin. Emma will nicht ihre schlechte Laune verbreiten, sondern stattdessen positive Energie wie sonst, und zwingt sich zu lächeln.
Laura will sich am Weg zur Schule noch ein Frühstück kaufen. In ihrem Lieblingswaffelgeschäft bestellt sie Bananen-Pancakes mit Nutella. Sie freut sich auf heute Nachmittag, denn dann geht sie mit Freunden schwimmen. Die Verkäuferin ist zwar freundlich, wie sonst auch, aber irgendetwas ist anders. Laura macht sich auf den Weg zur Schule und beißt von ihren Pancakes ab, als sie plötzliche schlechte Laune überkommt.

Ungefähr eine Woche später, ist Emma wieder in ihrem Geschäft und bereitet alles für die Waffeln vor. Heute ist ein guter Tag. Sie ist glücklich, tanzt und singt laut zu ihrem Lieblingssong, der gerade zufällig im Radio läuft und hat nur positive Gedanken. Sie sieht Laura wie jede Woche hereinkommen und begrüßt sie mit einem strahlenden Lächeln.
Laura ist ein bisschen besorgt. Sie hat einen Test in der ersten Stunde, für den sie sich nicht gut vorbereitet fühlt. Doch sobald sie das strahlende Lächeln von Emma wahrnimmt, verschwinden ihre Sorgen. Sie ist plötzlich auch sehr fröhlich und ihr fällt ein, dass sie heute früher aushat als sonst. Zufrieden nimmt sie ihr Frühstück entgegen, zahlt und macht sich auf den Weg in die Schule.

An beiden Tagen hat Emma gelächelt. Doch, was sie wirklich empfindet, strahlt sie auch aus. Es ist ansteckend, fast so wie ein Virus. Das hat man an Laura gesehen. An einem Tag ist die schlechte Laune auf sie übergegangen. Denn, auch wenn Emma ihre Negativität nicht gezeigt hat, sie war in ihr drinnen. An einem anderen Tag hat Emma genauso gelächelt, aber ihre Positivität von innen hat ihrem Lächeln ein Strahlen verliehen, dass bis ans Innere von Laura übergegangen ist und auch ihr Äußeres hat strahlen lassen.

Lisa

 

Eine andere Welt

Wenn ich einschlafe, gehe ich durch ein großes Tor in eine andere Welt. Es ist ganz merkwürdig. Ich schließe nur meine Augen und nach ein paar Sekunden vollkommener Schwärze erkenne ich ganz in der Ferne ein Licht. Ich schwebe auf dieses zu und wenn ich dort bin und es berühre wird alles um mich herum weiß und nach ein paar Sekunden erkenne ich das große Tor. Ich gehe durch es durch angezogen von einer unsichtbaren Kraft. Ich stehe nun in einer neuen Welt und das Tor hinter mir schließt sich. Mit meinen nackten Füßen stehe ich auf weichem Gras und ein kühler Windstoß streicht über meine Beine und Arme. Er bläst mir meine verwuschelten Haarsträhnen aus dem Gesicht. Meine Ohren werden erfüllt von einer lieblichen Melodie und ich kann nicht bestimmen woher sie kommt. Ich blicke mich um und das Tor ist schon längst verschwunden und an seiner ursprünglichen Stelle sind jetzt hohe Bäume und dichte Büsche. Vor mir fließt ein kleiner Bach durch den blitzende Fische hüpfen und am anderen Ufer sind runde Felsen über die kleine Eidechsen laufen. Ich kneife meine Augen zusammen um die Berge in der Ferne erkennen zu können. Ich gehe ein paar Schritte zwischen die dichten Bäume und sehe wie der Wald noch ewig weitergeht und kein Ende nimmt. Ich schließe meine Augen und als ich sie wieder öffne sehe ich wie merkwürdig eigentlich alles ist. Das Gras unter meinen nackten Füßen ist nicht grün und die Blätterkronen der Bäume auch nicht. Ihre Stämme sind nicht braun und das Wasser im Bach nicht klar und blau. Auch die Felsen sind nicht grau und die Eidechsen, die auf ihn herumkrabbeln, haben nicht ihre natürliche Farbe. Als ich versuche nachzudenken welche Farbe sie stattdessen haben weiß ich es nicht, denn ich erkenne diese Farben nicht. Blicke erkenne ich auch diese Farbe nicht und als ich noch genauer hinsehe merke ich, dass irgendetwas nicht stimmt. Das über mir wirklich ein Spiegel, der mich selber zeigt und meine nicht farblich bestimmbare Umgebung. Erschrocken hole ich Luft. Ich suche jetzt wild mit meinen Augen nach dem Tor um den Weg zurück zu finden, doch das Tor ist verschwunden. Ich renne einige Meter in die Richtung, in der ich es vermute. Ich sehe nichts außer Wald. Nach einigen Minuten, die sich viele Stunden angefüllt haben, lege ich mich in das merkwürdige Gras, um mich in wenig auszuruhen. Ich schließe meine Augen und nach ein paar Sekunden vollkommen erkenne ich in der Ferne ein Licht. Ich schwebe auf dieses zu und als ich dort bin und es berühre wird alles um mich herum weiß und nach ein paar Sekunden erkenne ich das große Tor. Ich gehe durch es hindurch und als ich meine Augen wieder öffnen erkenne ich einen Raum mit mir bekannten Farbe. Erschöpft liege ich einige Sekunden so da und atme ganz ruhig und kämpfe gegen meine müden Augen...

Madlena Scheil

 

Innen und außen

Häuser, so schön wie Paläste, streckten sich in den Himmel. Goldenes Licht durchflutete die stille Stadt, in der um diese Uhrzeit nur noch einige vereinzelte Menschen auf den Straßen herumschlenderten. Davina schaute aus ihrem Fenster in die Abendsonne, während ihre Mutter in der Küche am Werk war. Alles, einfach alles, war so perfekt- oder zumindest war es das bis zum heutigen Tag gewesen. Ein paar Blätter flatterten sanft vor ihrem Fenster herum und sie fragte sich, wie sie wohl hier heraufgekommen waren. Sie schloss für einen Moment die Augen und blätterte in ihren Erinnerungen, bis sie das Bild des jungen Mannes am Zaun fand. Seinen faszinierten Blick, sein herzliches Lachen, und seine Verlegenheit, als ihm bewusst wurde, was er trug. Hmmm…. Sie ließ sich tiefer in die Erinnerung sinken, in das kleine Gespräch, das sie hatten, und an die Funken, die durch die engen Maschen des Zauns nur so flogen, bis zu dem Zeitpunkt, als sie die Stimmen ihrer Freunde hörte, die sie schon suchten. Er hatte sich mit einem aufrichtigen Lächeln verabschiedet, sich umgedreht, und verschwand in das Dahinter. „Davina,“, rief ihre Mutter, „Essen steht am Tisch!“

Während dem Essen war sie leise und anstatt zu essen, schob sie alles auf dem Teller hin und her. Erst nach ein paar Minuten bemerkte sie, dass ihr Vater sie besorgt anstarrte. Seine darauffolgende Fragen ob es ihr gut gehe, wie die Schule war und so weiter, beantwortete sie auf Autopilot, während sie in Erinnerungen schwelgte, und plante, morgen wieder den Zaun zu besuchen. Davina brachte ihren Teller zur Abwasch, stieg die Treppen hinauf in ihr Zimmer, schloss die Tür, und kuschelte sich in die Decke. Morgen. Morgen würde sie ihn bestimmt wieder sehen.

Der Tag begann- wie immer- mit dem friedlichen Zwitschern kleiner Vögel und einer Tasse Kakao auf Davinas Nachtkästchen. Sie war WIRKLICH kein Morgenmensch, aber dieses Mal war anders. Es schien, als ob sich ihre Aufregung über Nacht verdoppelt hatte- sie konnte es gar nicht erwarten, aus dem Bett zu kommen. Auf dem Weg in die Schule hüpfte sie praktisch vor sich hin- ein äußerst verblüffender Anblick für ihre Freunde, die sie als ruhig und nachdenklich kannten. In ihren Stunden konnte sie auch nicht stillsitzen und kannte keine einzige Antwort, wenn sie aufgerufen wurde- zum Erstaunen ihrer Lehrer. Sie galt eigentlich als Spitzenschülerin. Nach der Schule machte sie sich nicht einmal die Mühe, mit ihren Freunden zu reden, sondern rannte fast schon weg, in Richtung Wald.

Aber als sie ankam, war hinter dem Zaun nur Wald, Wald, und mehr Wald. Tja, das machte nichts. Sie setze sich entschlossen auf den Boden. Ja, sie würde einfach warten.

Die Stunden verstrichen und zogen träge an ihr vorbei. Davina saß immer noch da und wartete. Als die Schatten sie schon fast erreichten, reichte es ihr. Es konnte doch nicht sein, dass er nicht herkam. Sie zuckte mit den Schultern. Dann würde sie eben zu ihm kommen.

Der Zaun stellte ein größeres Hindernis dar, als sie zuerst angenommen hatte- ihre Bluse ging irgendwie dabei drauf und war an den Ärmeln ein bisschen zerrissen. Das machte nichts. Ein seltsamer Geruch stieg ihr in die Nase, aber sie hatte keine Ahnung, was es genau war. Es war wahrscheinlich eh nichts. Selbstsicher wanderte sie weiterhin in den Wald. Als der Mond schon hoch stand und auf sie herunterlächelte, wurde ihre Sicht langsam immer schlechter, ihr Kopf schwamm- und plötzlich drehte sich die Welt, bevor sie schwarz wurde.

Davina blinzelte ein paar Mal gegen die Morgensonne und realisierte, dass jemand seine Hand an ihrem Hals hatte. Panik flutete ihren Körper und sie schlug die Augen auf, nur um ein bekanntes Gesicht über ihr zu sehen. Er schien erschreckt und besorgt und hatte seine Hand zurückgezogen. Beim Versuch, sich aufzusetzen, wurde ihr gleich wieder schwindlig. Er rief irgendwas von „wach“ und „hilfe“ über die Schulter. Kurz darauf erschien ein älterer Mann, der ihm sehr ähnlich sah, hinter ihm, und brachte Wasser und einen Lappen. Ezra nahm ihm beides aus der Hand, befeuchtete den Lappen, und legte ihn auf ihre Stirn. Ein Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. „Gibt’s doch nicht, jetzt hast du auch noch Fieber?“ Er schüttelte den Kopf. „Pf. Und dann willst du dich auch noch aufsetzen. Bleib mal schön da, ich bring dich zurück, wenn es dir besser geht. Du solltest nicht hier sein.“ Seine Stimme war immer leiser geworden, und sie konnte schwören, dass sie einen Funken an Bedauern heraushören konnte. Das letzte was sie sah, bevor sie wieder ohnmächtig wurde, war er, wie er sich an einem Lächeln versuchte und versagte.

Das nächste Mal, als sie aufwachte, war sie vor dem Zaun. Ihre Familie bedankte sich tausend Mal bei Ezra- der stumm auf der anderen Seite des Zauns stand. Er winkte ihr einmal, und ging dann mit den Händen in den Taschen zurück in den Wald.

Zuhause erzählte ihre Familie alles. Von der Krankheit, von den Toten, von den Helden, die an einem Heilmittel arbeiten konnten, weil sie resistent waren, und schließlich von dem jungen Genie namens Ezra, das den meisten Fortschritt brachte.

Für die nächsten Jahre trafen sich Davina und Ezra täglich am Zaun, bis er einen Durchbruch machte und alle wieder zurück in die Stadt konnten. Der Beginn einer neuen Zeit wurde mit ihrem „Ja“ Wort besiegelt- einer Zeit ohne innen und außen, sondern mit „Wir“.

Sophia Steiner (7b)