TBIm Ö1-Beitrag "Kreatives Schreiben in der Krise" hat Leander Földy (7B) einen Teil seines Corona-Tagebucheintrags gelesen. Hier ist der gesamte Text.

 

 

 

 

 

 

Tagebucheintrag, Tag 24 der Quarantäne, am 21.03.2020, 12:02, Wien, Leander Földy

Die Tage verschwimmen ineinander.

Welcher Tag heute ist? Dafür muss ich zuerst auf mein Handy schauen, denn das Zeitgefühl schwindet nach einigen Wochen Hausarrest aus Epidemie-Gründen. Es fängt damit an, dass man länger schläft und erst um zehn oder zwölf Uhr der Online Unterricht beginnt. Und gleichzeitig merkt man, dass man auch später schlafen gehen kann, denn wofür stünde man auf? So kommt es, dass man aufwacht, wenn es hell ist, um später wieder schlafen zu gehen, wenn es schon viel zu lange viel zu dunkel ist. In der Zeit dazwischen wartet man die nächste Aufgabe von der Schule ab, die unsere Lehrer uns über das Internet zukommen lassen, damit man vor Langeweile nicht umkommt. Man wartet gleichzeitig aber auch auf die nächsten Nachrichten von den Behörden, die uns teils beruhigen sollen, teils aber alles andere als beruhigend sind. Die Stadt. Stille. Niemand traut sich auf die Straßen, aus Angst vor Ansteckung. Sie haben Angst zu sterben, oder Oma und Opa anzustecken, für die die Krankheit viel öfter tödlicher endet als bei Jüngeren, im Regelfall.  Im Radio. Musik. Ablenkung. Gewohntes geht weiter. Keine Spur von der Epidemie, gegen welche wir noch immer kein Heilmittel haben, das wir auch in naher Zukunft nicht erwarten können. Deshalb wartet man. Man wartet, bis der Bundeskanzler, der Innenminister und der Gesundheitsminister vor der Kamera stehen und sprechen. Ebenso wartet man darauf, dass die meisten Geschäfte wieder aufsperren. Außer Grund-, Haustierverpflegung und Geldfluss musste alles dicht gemacht werden. Die Regale in Supermärkten. Leergeräumt von den Hamsterkäufern, die aus Panik ihre Vorratskammern, die anscheinend von kaiserlicher Größe sind, auffüllen. Zunächst sagten sie, dass dies bis April so bleiben müsse. Mittlerweile spekuliert man auf einen längeren Ausfall, was die meisten öffentlichen Zugänge angeht. Die Miliz ist eingezogen, die Grenzen geschlossen, bald soll auf Österreichs Straßen Militär stehen, das überprüft, ob man einen Grund habe, das Haus zu verlassen, spekuliert man.

Was tue ich also? Um ehrlich zu sein, weiß ich das die meiste Zeit gar nicht so genau. Es sind keine Stunden, Tage und Wochen. Es ist eher eine große unübersichtlicher, verschwommene Masse Zeit, die unterbrochen wird von kleinen Aufgaben und online Unterrichtsstunden von meinem Laptop aus. Wenn das Tagespensum erledigt ist, liege ich auf einer dünnen Schaumstoffmatratze auf einer dicken Ledercouch und versuche Ruhe zu finden, die Zeit zu finden, zu überlisten, damit die sie schneller vergeht, wenn ich nicht damit beschäftigt bin, meine Schulaufgaben zu erledigen, oder an meiner VWA zu arbeiten. Nur warum tue ich das und genieße nicht die viele Freizeit? Der Grund: Ich bin seit einigen Wochen krank und weiß noch immer nicht, ob es diese Krankheit ist, die für so viel Aufruhr sorgt. Wie ich mich damit fühle? Meh, könnte besser sein, jedoch habe ich nicht das Gefühl, gleich den Boden zu küssen und nie wieder aufzustehen, wenn du verstehst, was ich meine, liebes Tagebuch. Außer meinem unmittelbaren Umfeld weiß niemand, dass ich vielleicht davon befallen bin, denn jeder in meinem Umfeld quält sich mit dem gleichen Problem, wie ich. In der Schule gab ich an, ich hätte eine Mandelentzündung, da es allem Anschein nach auch so wirkte. Natürlich sollen das nicht zu viele wissen, ich möchte keinen sozialen Ausstoß riskieren, denn im Moment wird jeder mit Schnupfen, oder Husten schief angeschaut. Darum halte ich mich fern von Menschenkontakten, versuche mir keine neuen Keime einzufangen und auch keine weiterzugeben. Ich werde wieder gesund werden und dann wird es eine einfache Mandelentzündung gewesen sein.

Ist mein Best-Case-Szenario. Also, hier bin ich nun, im persönlichen Kampf gegen die schwerste Epidemie seit vielen Jahren. Mal sehen, was der morgige Tag bringt.