denkmal1Denkmal ins neue Licht gerückt

Die Kunststudenten Stefan Klampfer und Aldo Ernstbrunner bekamen im Juni 2010 den Auftrag, ein bestehendes Kriegerdenkmal, das sich im älteren Stiegenhaus der Schule befindet, mit einer künstlerischen Gestaltung in ein zeitgemäßes Licht zu rücken.

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Scheinbar unbeachtet schlummerte das, vom ehemaligen Kunstlehrer und Nationalsozialisten Ernst Peche gestaltete Kriegerdenkmal vor sich hin. Daneben hing bis vor kurzem als einzige sichtbare Kritik an der künstlerisch gestalteten Bronzetafel der von Martin Krist verfasste Informationstext, der folgendermaßen lautete:

Die 1935 von Prof. Ernst Peche, einem illegalen Nationalsozialisten und Lehrer des BG 19, entworfene und angebrachte Gedenktafel sowie die nach 1945 hinzugefügte Marmorummantelung erinnern in militaristischer Weise an die im Ersten und Zweiten Weltkrieg gefallenen Schüler und Lehrer des BG 19.

Der nach 1945 angebrachte Zusatz verschweigt dabei in beschämender Weise die in der Zeit der nationalsozialistischen Unrechts- und Gewaltherrschaft dem NS-Terror zum Opfer gefallenen und ermordeten Lehrer, Schülerinnen und Schüler.

Insofern ist diese Gedenktafel und ihre nach 1945 angebrachte Ergänzung auch ein Zeitdokument der in Österreich lange vorherrschenden Verdrängung der Entrechtung, Vertreibung und Ermordung der österreichischen Jüdinnen und Juden [1] in der Zeit des NS-Terrorregimes.

Dem engagierten Historiker und Lehrer ist der Impuls zur Überarbeitung zu verdanken.

Mit dem 125-jährigen Jubiläum der Schule kam ein guter Zeitpunkt, um die Neugestaltung des Denkmals endlich in die Wege zu leiten. Meinem Kunstkollegen Georg Wimmer und mir war bewusst, dass es notwendig war, einen Wettbewerb dafür auszuschreiben.

Als Sponsoren stellten sich die Schule und der Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus sofort zur Verfügung.

Studentinnen und Studenten der Kunstuniversitäten wurden eingeladen, ihre Ideen bis 25. Mai 2010 an die Schule zu schicken. Nach Besichtigung der acht Einreichungen entschied sich die Jury, die sich aus der Künstlerin Joanna Gleich, dem Univ. Prof. Gerhard Gleich, dem Verleger Johannes Schlebrügge, Martin Krist und mir zusammensetzte, für die Arbeit mit dem Titel "Translozierung als Methode". denkmal2Die Künstler überzeugten mit ihrer sensiblen Herangehensweise, der klaren Formensprache und einem dem Standort Schule entsprechenden Entwurf. Johannes Schlebrügge konnte zusätzlich den Schriftsteller Doron Rabinovici für einen Text, der Teil des Denkmals sein wird, gewinnen. Dieser lautet:

Von jenen, die während des Nationalsozialismus als Juden verfolgt wurden, ist auf dem Kriegerdenkmal nichts zu lesen. Von den 349 Schülern und Schülerinnen im Jahr 1938 wurden 104, also beinah ein Drittel, am 29. April des Gymnasiums verwiesen. Sieben dieser Ausgeschlossenen, ein ehemaliger Lehrer und viele, die hier maturiert hatten, wurden in eigens dafür vorgesehenen Tötungsstätten umgebracht.

Jenseits des Krieges vollzog sich die Vernichtung. Lange vor Ausbruch der Kämpfe wurde der Jude zum Gegenmenschen und zum Untermenschen erklärt. Die Opfer wussten nicht, wie ihnen geschah. Manche unter ihnen sahen sich nicht als Juden, einige ahnten gar nichts von ihrer Herkunft, doch alle galten sie nun als vogelfrei. Der antisemitische Mob ging gegen sie vor. Sie wurden gedemütigt, verprügelt, vergewaltigt oder erschlagen. Glücklich durften sich jene schätzen, die überlebten, nachdem sie ihres Besitzes beraubt, von ihren Liebsten getrennt und aus dem Lande vertrieben worden waren. Wer von ihnen nicht fliehen konnte, wurde zwangsverschleppt und geriet in die Maschinerie des Massenmords.

Sie sind keine Gefallenen. Nicht an einer Front wurden sie getötet, sondern im Hinterland lagen die Ghettos und die Konzentrationslager. Sie umzubringen, erfüllte keinen besonderen militärischen oder wirtschaftlichen Zweck, aber ihre Ausrottung hatte unbedingte Priorität. Die Zerstörung des jüdischen Lebens wurde zum bestimmenden Merkmal und zum eigentlichen Ziel des nationalsozialistischen Reiches.

Wer angeblich für das Vaterland kämpfte, verteidigte letztlich auch die Todesfabriken und die Gaskammern. Jene Schüler und Lehrer, die in der Wehrmacht dienten, die für das Regime töteten und starben, garantierten unweigerlich den Erhalt dessen, was mit Auschwitz umschrieben wird, jenen Apparat also, der ihre Schulkollegen mordete.

Das Verschweigen dieser Opfer auf dem Kriegerdenkmal war kein Zufall. Das Ausblenden der Vernichtung jüdischen Lebens gehörte zum Grundkonsens im Österreich der Nachkriegszeit.

Alle Einreichungen waren aber, das möchte ich hier noch einmal festhalten, engagierte Versuche, den Blick auf die Geschichte neu zu lenken. Die Entwürfe sind im Rahmen einer kleinen Ausstellung im Schulhaus zu besichtigen.

Die Umsetzung der künstlerischen Intervention ist seit 25. August 2010 im Gang und die neu gestaltete Wand wird bei der 125-Jahr-Feier der Schule präsentiert werden.

Lilli Kern

[1] Die Bezeichnung „Jüdin“ und „Jude“ bezog sich unter dem NS-Terrorregime nicht nur auf die Zugehörigkeit zur jüdischen Glaubensgemeinschaft, sondern wurde laut den so genannten „Nürnberger Rassegesetzen“ auch auf Angehörige anderer Religionsgruppen und Konfessionslose angewandt, da nicht die Religion, sondern die Abstammung von jüdischen Eltern und Großeltern entscheidend war.